Werther in Fragmenten
Ein eigenwilliger Theaterabend. Doch was genau geschieht darin? Eine sinnliche Analyse über die Liebe damals – zu Werthers Zeiten – und heute?
Der Abend am Neumarkttheater war interessant, amüsant, farbig, stellenweise laut, durchdacht.. und die Gefühle? Blieben den Figuren überlassen. Die Zuschauer durften einem bunten Treiben beiwohnen, es beobachten, auf Distanz bleiben, kurz: Man durfte dabei zusehen, was die Liebe aus einem Menschen macht. Wie sie ihn vergoldet und handkerum in groteske Verrenkungen zwingt.. Gelungene Bilder ergänzend zum Bildungsstoff, für den die Schüler oft zu jung sind. Diese klaffende Lücke, zwischen eigener Lebenserfahrung und dem von anderen Geschriebenen, verdirbt Literaturwerke manchmal auf Jahre hinaus; weil der Kopf versteht,  das Gefühl aber noch nicht reif dafür ist. Einzelne Sätze, die sich unerwartet mit den Gefühlen junger Leser verbinden, bleiben vielleicht doch hängen, durch Bilder, die Gefühle hervorrufen.
Bei Laura Koerfers Theateraufführung konsumiert man kluge und schöne Bilder, hört Textpassagen aus Goethes Werther und von Roland Barthes – vielleicht der Versuch eines Zwischenweges vom Lesen in der Schule zur medialen Unterhaltung. Nur der Versuch zum Wesentlichen vorzudringen wurde in dieser Inszenierung ausgelassen. Mit Absicht? Sinnlichkeit sicht – und hörbar, aber nicht fühlbar. Ein junger Abend mit sehr guten Schauspielern, die überzeugend in ihre verschiedenen Rollen schlüpfen und viel ausprobieren. Ariela Sarbacher

Werther, Theater Neumarkt, theaterneumarkt.ch
Gesang an die Nacht, Gebrüll gegen Kummer
nach Goethe mit Roland Barthes
Textmaterial: J.W.Goethe: Die Leiden des jungen Werthers und
                     Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe 
                     www.suhrkampverlag.de

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