In den Jahren der Apartheid ist Südafrika
die Poesie, die Lyrik abhanden gekommen.
In diese Lücke hinein wurde Schande geschrieben.
Die Menschen begegnen der Herausforderung, in ihrem Land „nach“ der Apartheid nicht verloren zu gehen, auf sehr unterschiedliche Weise:
Die Figur der Lucy handelt selbstlos, unkonventionell, manchmal stur. Diese Selbstlosigkeit führt sie auch zur Formlosigkeit. Sie tritt von ihrem Landbesitz zurück, übergibt ihn einem Schwarzen und gibt ihre Grenzen auf. Man kann ihr Verhalten als das Resultat einer tiefen Einsicht lesen, die sie über ihren eigenen Schatten springen lässt. Vielleicht ist es die einzige Haltung, die Menschen innerhalb eines menschenfeindlichen Systems – auch nach dessen Aufhebung – erlaubt, weiterhin zusammen zu leben. Lucys Einsicht erwächst aus ihrem unabhängigen Denken. Sie hat keine Regeln von zu Hause mitbekommen, die sie stärken könnten, keine Religion. Sie glaubt an ihre Gefühle, genau wie ihr Vater. Sie liebt den einsamen Ort an dem sie lebt und will sich nicht davon vertreiben lassen. Dafür nimmt sie in Kauf das Kind ihrer Vergewaltiger auszutragen und den neuen Besitzer „ihres “ Landgutes zu heiraten. Sie wird als Pächterin mit ihrem Kind in ihrem Haus bleiben. Ariela Sarbacher
J.M.Coetzee, Disgrace