Überlegungen zum letzen Literaturclub
Noch im letzten Jahr kündigte Stefan Zweifel, mit „diebischer“ Vorfreude, die Buchbesprechung
über Madame Bovary von Gustave Flaubert, für den Literturclub am 29.1.2013, auf SFR1 an.
Am letzten Dienstag, am Ende der 10 vor 10 Nachrichten wurde von Christine Meier noch einmal auf diesen besonderen Anlass hingewiesen. Man durfte gespannt sein:

Wenig später wohnte man eher einer raschen Buch-Exekution, als einer Besprechung, geschweige denn einer Auseinandersetzung, über eine der drei wichtigsten Ehebrecherinnen der Literaturgeschichte, bei. In rasendem Tempo einigten sich vier LiteraturkritikerInnen auf Rüdiger Safranskis Urteil, dass Emma Bovarys Problematik trivial sei. Letztere rühre von der Lektüre schlechter Literatur, die sie während ihrer Jugend genossen habe, her. Diese habe sie verdorben und falsche Erwartungen für das Leben in ihr geweckt – Eine kleine Teilwahrheit dieses Buches, das ein unvergängliches Werk geblieben ist, weil die Thematik unvergänglich ist. In der zierlichen Figur der Madame Bovary steckt die ganze Komplexität einer Frau. Diesem Thema hat sich Rüdiger Safranski nicht gestellt, ist lieber ausgewichen, indem er billig – und Grand Cru Weine mit schlechter und guter Literatur verglichen hat. Was natürlich Unterhaltungswert besitzt, Emma Bovarys Thema aber nicht näher kommt. Und dieses  ist brenzlig- nicht nur ihres, sondern auch das der Männer um sie herum. Gustave Flaubert hat mit scheinbar grosser Distanz über Abgründe, Not und menschliche Schwächen geschrieben und dadurch vieles ausgestellt was man als Leser vielleicht nicht immer wissen möchte. Rüdiger Safranski hat sich, während seiner Rede über dieses Werk, hinter seinem ausserordentlichen Können als Literaturkritiker versteckt. Safranskis Lebenserfahrung deckt sich wahrscheinlich nicht mit derjenigen von Emma Bovary. Schade, dass er diese Lücke mit seinem exquisiten Wissen gefüllt – und so Raum und Zeit für eine Diskussion darüber abgeschnitten hat. Kein Widerspruch von Elke Heidenreich, die sonst sehr eigenständige Meinungen vertritt oder Hildegard E. Keller, die kaum etwas dazu geäussert hat. Stefan Zweifel, in der Funktion als Moderator, hat keine Diskussion darüber in Gang gebracht. Es wirkte, als wolle man sich nicht allzu lange mit diesem grossen Buch aufhalten. Wäre es nicht klüger bei einem Anlass, der im Vorfeld gross angekündigt wird, ein Buch weniger zu besprechen? Und vielleicht nicht nur zu diesem Anlass..
Einzig Elke Heidenreichs Satz, dass es noch viele andere gute Übersetzungen von diesem Werk gebe, ausser der von  Elisabeth Edl, hat einem aus dem Herzen gesprochen. Gerade in ihrer „literarizität“(Rüdiger Safranski, sehr schön) wirkt diese letzte Übersetzung fast kühl. Die Sprache des Originals ist distanziert – was nicht dasselbe ist. Wenn man den zweiten grossen Roman einer Ehebrecherin liest, Anna Karenina, erfährt man, wie sich Rosemarie Tietze als Übersetzerin in den Dienst von Lew Tolstois Sprache stellt, ohne neben ihm stehen zu müssen.
Wie wäre es, wenn Stefan Zweifel einen Madame Bovary – Abend veranstalten würde? Zum Beispiel im Literaturhaus:
<Im Gespräch über Madame Bovary – aus Anlass zur neuen Übersetzung>, vielleicht?
Ariela Sarbacher
www.literaturclub.ch

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