Erst hören, dann lesen
Stalker sind geschickt. Sie spüren die Schwachstellen einer Beziehung auf. Bei Stella und Jason, zum Beispiel, fehlt die Kommunikation untereinander – dort dringt Mister Pfister ein.
Statt zu handeln, lässt Stella sich treiben. Lässt widerwillig zu, von Mister Pfister geführt zu werden. Um sich selbst begreifen zu können, muss sie sich mit ihm identifizieren.
Im Moment des Zuhörens folgt man Stellas Figur. Die feine Stimme von Judith Hermann offenbart die innere Unsicherheit ihrer Protagonistin, indem sie Sätze in der Schwebe hält und wenn sie auf den Punkt kommt, ist es überraschend, erleichternd: Wie wenn Stella endlich Fuss fassen würde.
Hermanns Ton macht die Musik dieser Geschichte aus und erleichtert die Kommunikation zwischen ihren Figuren und dem Zuhörer. Beim „reinen“ Lesen schleicht sich Leere ein, wird man von der Schönheit der Sprache verführt, aber nicht wirklich berührt. <<Er schaltet den Scheibenwischer ein, die Strasse ist ein grünes, dunkles Band, das vor ihnen aufgerollt wird, seidig, weit.>> Oder durch plötzliche Direktheit gefangen genommen, aber gleichgültig zurückgelassen. <<Und ich höre nicht auf. Ich trete dir nicht nur dein Gartentor ein, ich trete dir auch deine Haustür ein. Ich trete dir dein ganzes Leben zusammen, ich bin in der Lage dazu. Du wirst unter der Bettdecke liegen und an den Nägeln kauen, du wirst mit den Zähnen klappern.>>
Vernimmt man aber die Stimme der Autorin, bekommen dieselben Sätze mehr Gehalt – ist es so?
Ariela Sarbacher
Judith Hermann, Aller Liebe Anfang
www.fischerverlage.de